Blogeintrag: Wespen - Missverstanden und Übersehen

Wespen sind bei den meisten Menschen nicht gern gesehen (siehe Sumner et al. 2018 und Schmack et al. 2024). Viele fürchten ihren Stich oder fühlen sich beim Essen gestört. Aus einer Umfrage unter Gärtner*innen in Berliner und Münchner Gemeinschaftsgärten ging hervor, dass die Wespe im Vergleich zu Honigbiene, Hummel, Wildbiene, Schmetterling, Käfer und Spinne in Bezug auf ihre Nützlichkeit im Garten mit Abstand am schlechtesten bewertet wurde. Begründet wurde die schlechte Bewertung mit Aussagen wie “nervig”, “hat keine Funktion”, “bestäubt nicht”, “Schädling”. Während über “Bienen” geschrieben wurde “ohne Bienen gäbe es uns nicht”, “wir lieben Bienen”, “sie haben puschelige Popos”, wurde über Wespen geschrieben “schmutzig”, “fressen mein Essen weg”, “aggressiv”, “stechen nur” und vieles mehr - nachzulesen in Schmack et al. 2024.


Ist das schlechte Image gerechtfertigt?

Natürlich nicht. Wespen und Hornissen kontrollieren nicht nur Schädlinge, sie bestäuben zahlreiche Pflanzenfamilien, verbreiten Pflanzensamen und sind für den einzigartigen Geschmack so manchen Weins verantwortlich (siehe Brock et al. 2021). Für die Biomedizin sind Wespen extrem interessante Lebewesen, da nicht nur ihr Gift, sondern auch ihre Verdauungssäfte vielversprechende Inhaltsstoffe für die Krebstherapie und Antibiotikaentwicklung enthalten. Ihr komplexes Sozialverhalten ist im Vergleich zu dem der Honigbiene wenig erforscht. Eine Studie von Tibbets et al. (2019) zeigt jedoch, dass Polistes-Wespen logisch schlussfolgern und die Gesichter ihrer Artgenossinen wiedererkennen können. Faszinierend, oder?


Warum ist es schlecht, dass Wespen zu Unrecht ein mieses Image haben?

Das schlechte Image, das Wespen exemplarisch für viele weitere “uncharismatische” Tiere haben, wirkt sich direkt auf die Bereitstellung von Ressourcen, die für die Erforschung dieser Tiere und ihrer ökologischen Rolle zur Verfügung stehen, aus (siehe Sumner et al. 2018 und Schmack et al. 2024). Weniger Forschung bedeutet weniger Forschungsergebnisse, die das schlechte Image der Wespen in Öffentlichkeit, Politik und Wissenschaft verbessern könnte. Wichtige Funktionen vieler uncharismatischer Tiere werden übersehen, ihre Beiträge zum Funktionieren unserer Ökosysteme nie beziffert. Ohne konkrete Zahlen und Forschungsergebnisse gibt es kaum eine politische oder gesellschaftliche Grundlage, um Schutzmaßnahmen zu rechtfertigen und so setzt sich der Kreislauf aus Ignoranz, Imageverlust und mangelndem Schutz fort. Dabei kann es passieren, dass wir bedeutende Chancen verpassen, z.B. ein neues Krebsmedikament.

Die Wespe verdient ein besseres Image. Aber wie?

Wespen sind faszinierende Tiere mit komplexem Sozialverhalten, beeindruckender Orientierung und Kommunikation, ökologischer Relevanz, und trotzdem von vielen gefürchtet oder verachtet. Ein Imagewandel braucht Sichtbarkeit, Wissen und Begegnung.

Das geht nicht über Nacht, aber mit gezielten Mitteln:

  • Outreach & Vorträge, die wissenschaftlich fundiert, aber emotional zugänglich sind

  • Citizen-Science-Projekte, bei denen Menschen Wespen beobachten, zählen oder melden und dabei selbst ins Staunen geraten

  • Social Media Beiträge, die statt Panik schöne Fotos, hilfreiche Fakten und Aha-Effekte verbreiten

  • Workshops, Schulaktionen & Naturführungen, bei denen echte Erfahrungen aus nächster Nähe gemacht werden dürfen

Je mehr Menschen verstehen, wie viel Wespen leisten, als Jägerinnen, Bestäuberinnen, Baumeisterinnen, desto eher wandelt sich das Bild.

Bildung verändert Blickwinkel und Wertschätzung für Wespen

In einer Mini-Studie, die 2024 im Magazin Anliegen Natur veröffentlicht wurde, konnte ich zeigen, wie sich die Einstellung gegenüber Wespen durch gezielte Bildungsmaßnahmen signifikant verbessern lässt. Auf dem „Farm Vision Day“ in Weihenstephan wurden Besucherinnen über die ökologischen Funktionen und das soziale Verhalten sozialer Wespen informiert, in einer Kombination aus sachlicher Aufklärung und emotionaler Ansprache.

Nach beiden Bildungsinterventionen stieg sowohl die Wahrnehmung des Nutzens als auch die Sympathie für Wespen deutlich an, was über eine Matrix aus zwei Likert Skalen gemessen wurde. Viele Teilnehmende erklärten sich anschließend bereit, Wespen nicht nur in der Landwirtschaft, sondern sogar im eigenen Garten zu dulden.

Die Studie zeigt eindrucksvoll, dass Wissen und Begegnung echte Imageveränderung bewirken können, und dass gerade unterschätzte Insekten wie Wespen durch Bildung ihren Platz im öffentlichen Bewusstsein erobern können.

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Blogeintrag: Wespen als Schädlingskontrolleurinnen in der Landwirtschaft