Blogeintrag: Wespen als Schädlingskontrolleurinnen in der Landwirtschaft
Wespen haben ein Imageproblem. Während Bienen als fleißige Honiglieferanten gelten, haftet Wespen oft der Ruf von Nervensägen an, die nur stechen und noch nicht einmal daran sterben. Doch ein genauer Blick zeigt: Wespen sind nicht nur faszinierende Insekten, sondern auch effektive und völlig unterschätzte Helferinnen in der Landwirtschaft. Vor allem als natürliche Schädlingsbekämpferinnen leisten sie einen wertvollen Beitrag - leise, effizient und kostenlos.
Was fressen Wespen eigentlich?
Viele Menschen kennen Wespen vor allem als „Zuckerjägerinnen“ beim Picknick. Doch dieser Eindruck täuscht: Die meisten sozialen Faltenwespen (Vespidae) ernähren sich selbst überwiegend von Zuckerquellen wie Blütennektar, überreifem Obst z.B. Zwetschgen oder Pflanzensäften.
Ihre Larven hingegen benötigen tierisches Eiweiß und genau hier beginnt ihre Rolle als Schädlingskontrolleurinnen:
Wespen sammeln Raupen, Fliegenlarven, Blattläuse, Mücken, kleine Käfer und andere Insekten.
Sie zerlegen diese Beute und verfüttern sie an ihre Brut im Nest. Die Larven verdauen das Protein und versorgen die erwachsenen Tiere ihrerseits mit einer nährstoffhaltigen Flüssigkeit (Trophallaxis).
Eine einzelne Wespenkolonie kann mehrere Tausend für die landwirtschaft schädliche Insekten pro Saison vertilgen.
Feldwespe Polistes chinensis beim zerlegen ihrer Beute, die sie im Anschluss zum Nest fliegen und dort an die Larven verfüttern wird.
Welche Bedeutung haben Wespen für die Landwirtschaft?
Wespen sind Generalisten: Sie jagen eine Vielzahl von Insekten, darunter viele, die in der Landwirtschaft als Schädlinge gelten, wie:
Blattläuse – saugen an Pflanzen und übertragen Krankheiten
Schmetterlingsraupen (z. B. Apfelwickler, Kohlweißling) – fressen Blätter und Früchte
Fliegenlarven – etwa der Kirschessigfliege, ein zunehmend gefürchteter Obstschädling
Käferlarven (z. B. Rüsselkäfer) - fressen Blätter
In biologisch bewirtschafteten Flächen, Streuobstwiesen, Permakultur-Gärten und extensiven Agrarlandschaften wird die Förderung von Nützlingen gezielt zur natürlichen Schädlingskontrolle eingesetzt und auf den Einsatz synthetischer Spritz- und Düngemittel verzichtet.
Feldwespe Polistes chinensis kehrt mit erbeutetem Insekt zum Nest zurück.
Wespen werden oft nicht zu den Nützlingen hinzugezählt. Doch das ist falsch, zeigen einige Studien, die sich mit der Leistung von sozialen Wespen als Nützlingen in der natürlichen Nahrungsmittelproduktion beschäftigen:
Soziale und solitäre Wespen gelten zunehmend als vielversprechende natürliche Schädlingskontrolleurinnen in der Landwirtschaft. Anders als chemische Schädlingsbekämpfung basieren biologische Kontrollmaßnahmen auf bestehenden Räuber-Beute-Beziehungen, was Resistenzbildungen und andere “Nebenwirkungen” verhindert.
Die meisten bisherigen Erfolge stammen aus dem Einsatz von parasitären Wespen, die gezielt einzelne Schädlinge bekämpfen. Solitäre Wespen werden bislang nur vereinzelt eingesetzt, etwa zur Kontrolle von Kaffeekäfern oder Schaben. Ihre geringe Verbreitung liegt oft an mangelndem Wissen über ihre Lebensweise und fehlendem Management.
Soziale Wespen hingegen, wie Polistes oder Vespula, haben großes Potenzial:
Obwohl soziale Wespen in Neuseeland invasiv sind, beschrieb der Wissenschaftler Berry Donovan bereits 2010 wie Wespen für die nachhaltige landwirtschaftliche Produktion eingesetzt werden könnten. Er zeigt auf, dass Soziale Wespen der Gattung Vespula viele Eigenschaften mitbringen, die sie zu steuerbaren, generalistischen Räubern in der Landwirtschaft machen: Sie bilden große Kolonien mit zahlreichen Sammlerinnen, jagen ein breites Beutespektrum, haben einen hohen Proteinbedarf und tolerieren sowohl niedrige Temperaturen als auch Nestmanipulation. Durch hohe Nestdichten können mehrere Kilogramm Beute pro Hektar und Jahr erbeutet werden. Gelänge es, ihre Kolonien gezielt zu vermehren und über mehrere Jahre zu erhalten, könnten Vespula-Wespen ähnlich wie Honigbienen gezielt zur biologischen Schädlingsregulation eingesetzt werden, und das besonders im ökologischen Landbau, wo chemische Mittel nicht erlaubt sind.
Prezoto et al. 2019 beschreiben in ihrer Übersicht ebenfalls, dass soziale Wespen ein großes Potenzial als biologische Schädlingskontrolleurinnen in kleinbäuerlichen Betrieben und urbanen Gärten haben. Angesichts der enormen Umweltbelastung durch den Einsatz von Pestiziden, allein in Brasilien werden jährlich über tausend Tonnen eingesetzt, fordern die Autorinnen nachhaltige Alternativen zur chemischen Schädlingsbekämpfung .
Sie stellen eigene Studien aus vergangenen Jahren vor und zeigen, dass 90–95 % der von Wespen erbeuteten Insekten auf kleinen landwirtschaftlichen Flächen blattfressende Raupen sind, also typische Pflanzenschädlinge. In städtischen Gärten jagen Wespen zusätzlich Krankheitsüberträger wie Zweiflügler (z. B. Fliegen und Mücken).
Die Autorinnen stellen zudem praxistaugliche Methoden zur Förderung von Wespenkolonien vor, etwa die Nutzung künstlicher Nistplätze. Als Vorteile heben sie die geringen Kosten, die praktische Umsetzbarkeit, die fehlende Resistenzbildung bei Beutetieren und vor allem die Möglichkeit, den Einsatz von Insektiziden deutlich zu reduzieren hervor.
Eine Studie von Southon et al. 2019 aus Brasilien zeigt, dass die soziale Faltenwespe Polistes satan ein erfolgreicher Räuber der Larven zweier wirtschaftlich bedeutender und widerstandsfähiger Pflanzenschädlinge ist: des Zuckerrohrbohrers Diatraea saccharalis (auf Zuckerrohr, Saccharum spp.) und des Heerwurms Spodoptera frugiperda (auf Mais, Zea mays); Wespen der Art P. satan reduzieren den Pflanzenschaden durch diese Schädlinge signifikant.
Gibt es Studien aus Europa?
Leider noch nicht. Ich arbeite derzeit daran herauszufinden, wie groß das Potential von Wespen und Hornissen als Schädlingskontrolleure in der heimischen Agrarlandschaft ist. Wie stark können Wespen und Hornissen klassische Schädlinge wie Blattläuse, Schmetterlings- und Käferlarven reduzieren? Welche Arten verfüttern sie besonders gern und zuverlässig? Und können wir durch den gezielten Einsatz von sozialen Wespen Pestizide einsparen oder sogar ganz darauf verzichten? Ich arbeite mit Metabarcoding-Methoden um die Nahrungszusammensetzung aus Fäkalproben der Larven zu bestimmen. Diese Methode habe ich bereits für meine Doktorarbeit an invasiven Wespen auf Neuseelands offshore Inseln weiterentwickelt und in Schmack et al. 2021 in Journal of Applied Ecology veröffentlicht.